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23.08.2011: Hier kauf ich die Regierung ein (Tageszeitung Neues Deutschland)


23.08.2011: Hier kauf ich die Regierung ein (Tageszeitung Neues Deutschland)
Das Bundesgesundheitsministerium ließ sich von einem Privatunternehmen eine Anzeigenkampagne in der »Bild«-Zeitung finanzieren.

In seiner gestern ausgestrahlten Sendung berichtete das ARD-Magazin »Report Mainz«, dass die Drogeriemarktkette »dm« dem Bundesministerium für Verbraucherschutz eine Anzeigenkampagne finanziert hat. Zwölf Anzeigen im Gesamtwert von etwa 340 000 Euro sollen es sein, die bis Anfang September in der hochgradig seriösen »Bild«-Zeitung erscheinen sollen. Warum der Anzeigenplatz dem Ministerium kostenlos zur Verfügung gestellt wird, wie das Unternehmen »dm« mitteilt, wird schnell klar, wenn man eine der Anzeigen sieht: Im rechten Drittel des Inserats sieht man ein Foto des parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Gerd Müller (CSU), der ein ziemlich professionelles Reklamegrinsen aufgesetzt hat. Über ihm prangt, wie in den Anzeigen der Bundesregierung üblich, der Bundesadler. Unmittelbar links neben dem Bundesadler und dem Logo des Bundesministeriums – getrennt nur durch eine schmale Linie – ist der Schriftzug des Drogeriemarkts »dm« zu lesen. Auf jeden Leser, der nicht allzu genau hinsieht, wirkt das Arrangement, als sei dem Unternehmen eine Art Gütesiegel des Gesundheitsministeriums verliehen worden.

Das Bundesministerium für Verbraucherschutz wirbt in der nun von verschiedenen Seiten kritisierten Anzeige – unter der irreführenden Überschrift »Das Bundesernährungsministerium informiert«, die Seriösität und Unbestechlichkeit suggerieren soll – für eine gesunde Lebensweise, unter anderem dafür, dass der Bundesbürger »öfter zu einem Apfel greifen oder mal die Treppe nehmen« möge. Was jedoch nicht in der Anzeige steht, ist, dass die Treppe, die es zu nehmen gilt, auch zu einem »dm«-Drogeriemarkt führen kann. Und dass es in einer solchen Drogerie auch Apfelsaft zu kaufen gibt, wenn mal gerade kein Apfel zur Hand ist.

Dennoch liegt es für den Leser und Betrachter der Anzeige nahe, anzunehmen, die Bundesregierung mache ihm den Vorschlag, er solle die Produkte, die er für eine gesunde Lebensweise benötigt, bei dem Drogeriemarkt »dm« erwerben. Genau das moniert auch die Wettbewerbszentrale. Es entstünde »der Eindruck, als würde die Bundesregierung ›dm‹ ausdrücklich empfehlen«, heißt es dort. Auch Staatsrechtler bewerten die Anzeige als »rechtswidrig«.

Dass es zu einer möglichen Verwirrung der Leser kommen kann, glaubt auch die verbraucherpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Nicole Maisch: »Wer sich in so einer Anzeige genau neben dem Namen von einer Firma abdrucken lässt, der muss damit rechnen, dass der Eindruck entsteht, dass die Drogerie-Kette von der Bundesregierung geprüft ist«, sagte sie dem hessischen Rundfunk.

Überdies hat man bei der Betrachtung der Anzeige den Eindruck, die Bundesregierung lasse sich gewissermaßen ihre Gesundheits- und Ernährungspolitik von der Drogeriemarktkette bezahlen. Ähnlich nimmt dies offenbar Jürgen Trittin wahr, der Fraktionsvorsitzende der Grünen: »Ich sehe die Gefahr, dass das Sponsoring hier dazu führt, dass sich jemand für seine Kampagne den Staat kaufen kann.« Auch die verbraucherschutzpolitische Sprecherin der SPD, Elvira Drobinski-Weiß, sieht im Interview mit »Report Mainz« gar die »Neutralität des Staates« und seiner Ministerien in Gefahr.

Dabei dürfte der Gedanke, dass die Bundesregierung nicht völlig unabhängig von den Interessen der Konzerne und ihrer Lobbyisten handelt, nicht gerade der allerneueste sein. Die märchenhafte Vorstellung, es handle sich bei der Regierung um eine neutrale Agentur, die sich ausschließlich dem Wohlergehen der Staatsbürger widme, ist naiv. Doch dass Unternehmen nun bereits dazu übergehen, der Bundesregierung große Summen zur Verfügung zu stellen, damit sie ihre Politik anpreisen kann, dürfte ein neues Phänomen sein. Dass demnächst die Waffenschmiede Heckler und Koch die Anzeigenkampagnen des Bundesverteidigungsministeriums finanziert, ist aber vorerst wohl nicht zu erwarten. Obwohl in einem solchen Fall eine gewisse Plausibilität sicher nicht ganz von der Hand zu weisen wäre.